Erste Tage auf See
Kap Verden – Saint Lucia, 18. November 2015
Der Aufenthalt auf den kapverdischen Inseln war für uns stressgetrübt – nur vier Tage Zeit und die Handwerker vor Ort extrem überlastet. Zum Glück haben wir es uns herausgenommen, nicht auf den Handwerker zu warten, sonder haben uns aufgemacht, die Inseln zu erkunden. Es hatte sich wirklich gelohnt. Vorallem die Nachbarsinsel war wunder- wunderschön. Das Warten hätte sich nämlich trotzdem nicht gelohnt – beide Probleme – das defekte AIS und der Kühlschrank sind nämlich nicht gelöst! Der Kühlschrank hatte zuerst gekühlt aber danach ist das Gas ausgelaufen, weil es zuwenig angeschraubt worden war. Das AIS-Gerät ist nigelnagelneu plus die dazugehörige Antenne. Doch schon noch im Hafen kam eine Fehlermeldung. Der Techniker hat uns beschwichtigt, das sei nichts und wir wollten nun einfach keine Minute länger mehr bleiben! Unterdessen haben wir alles vom Kühlschrank zuoberst in die Gefriertruhe verschoben, sollte so klappen. Ab und zu sehen wir ein Schiff auf dem AIS und alle 10 Minuten eine Fehlermeldung. Doch die andern Schiffe haben oft auch keinen Empfang – es geht auch so!
Nun sind wir also am Anfang von dem Ereignis das wir so lange in unseren Köpfen herumgetragen hatten! Nun überqueren wir den Atlantik! Nun liegen auf unserem Deck die Fliegenden Fische! Wir haben zur Zeit nicht viele Schiffe in unserer Nähe. Heute hatten wir über Funk Kontakt mit einem deutschen Segelschiff, sie hätten zwei weisse Landvögel an Bord, haben sie erzählt. Gestern waren wir auf der Höhe von Camilla und Novak aus Schweden, mit ihrer 32 Fuss «Seequark», doch wir sind schneller unterwegs und haben sie wieder aus den Augen verlohren. Die erste Nacht war anstrengend mit viel Wind und hohen Wellen, doch irgendwann spielte sich der Wind ein und es liess sich einen dauerhaften Kurs finden. Wir haben in der kurzen Zeit auch nicht die Seebeine verlohren und so sind wir nach rund 30 Stunden schon wieder ganz im Rythmus der tanzenden Tassen und dem schlingerndem Boden! Wir werden mit den Kindern nun alle 24 Stunden unsere Position auf der Atlantik-Seekarte übertragen. Apropos Blinde Passagiere an Bord: Bei uns zirpt eine Grille auf dem Deck! (Speziell für mich – ich träume mich für einen kurzen Moment auf eine Sommerwiese, hoch oben in den Bergen!) Es ist Nacht und wir haben seit der Weiterreise wieder einen Mond und Sterne und es ist angenehm warm draussen.
Tag 7 auf See, Atlantik, 25. November 2015
ca. 900 sm bis Saint Lucia
Heute haben wir die Halbzeit der Überfahrt gefeiert! Mit einem Rösti-Zmorge-Buffet und am Abend mit einem Film an Deck mit Popcorn!
In den ersten Tagen gab es noch ein paar Mal ein Manövrieren mit den Segel. Oft kam der Wind gerade knapp zu sehr von der Seite, um mit unseren beiden Genuas (Passatsegel) fahren zu können. Das hiess, vorne auf dem Deck hantieren, Bäume weg und beide Segel zusammenfassen und auf die Seite ziehen. Und wieder zurück montieren, wenn der Wind wieder gut von hinten kommt. Unser ZIel ist es meistens nicht, solche Manöver in der Nacht machen zu müssen, doch in zwei Nächten waren wir im Flutlicht auf dem Vorderdeck, während dunkler Nacht am werken. Glänzende fliegende Fische wieder über Bord werfen, Schoten befestigen und lösen, sich auf dem tanzenden Schiff immer wieder festhaltend und ab und zu den Blick auf dunkle Wasser erhebend, den Wind spürend, dem ausserordentlichen Moment bewusst… um dann froh zu sein, wieder im schütztenden Cockpit zu sitzten.
Während aber der meisten Zeit sind wir mit unseren Passatsegel unterwegs und haben in den letzten Tagen immer wieder neue ARC+ Schiffe eingeholt. Wir sind schnell unterwegs! Oft haben uns die andern Boote während ca. 24 Stunden begleitet, auf dem AIS sichtbar und ein paar Mal sogar am Horizont. Am Morgen und am Abend haben wir dann gefunkt, gefragt wie es geht, übers Wetter, Fischen, Segeln und Essen ausgetauscht. Die Schiffe waren «Mojeka», «Weogi», «Nickitoo», und «Madeleine», «Almatea» und «Sea Fantasy» hatten wir auf dem AIS gesehen, meistens waren sie ca. 10sm entfernt. Dann gibt es wieder viele Stunden, wo keine anderen Boote in Reichweite sind. Doch ich finde es schon toll, zu wissen dass wir nicht alleine unterwegs sind, in dieser unendlich grossen Weite des Atlantiks!
Zu unseren letzten beiden wöchigen Überquerungen, Gibraltar-Gran Canaria und Gran Canaria-Kap Verde, gibt es doch noch ein paar Unterschiede zu dieser Strecke. Zuvor waren wir immer etwa 150sm von der Küste entfernt. Das ist ein anderes Gefühl nun! Das Meer ist auch anders. Die Wellen höher und es gibt schwimmende Pflanzen-Teppiche, eine Art Seegras. Unser Speed ist super. Immer mit über 7 Knoten Fahrt schlingern wir übers Wasser. Unter uns ziehen Wassermassen in Form von Wellenbergen durch, lassen das Schiff erheben und senken und auf den Seiten liegen und wieder aufrichten. Alles ist in Bewegung! Doch es ist auch Rythmus und stetiges Vorankommen. Seit Tagen machen wir ein Tagesetmal von ca. 170sm. Die Position trägt Lenja alle 24h auf der Karte ein. Wir sind froh und dankbar, dass unser Schiff das alles so gut macht und alles funktioniert – bis auf die Kleinigkeiten Kühlschrank (Gottseidank habe wir die Gefriertruhe) und das halbwegs funktionierende AIS. Tolles Schiff – die ELAS!
Der Crew geht es gut. Kim hatte ein wenig mit einer Erkältung zu kämpfen, Gliederschmerzen und so weiter. Wie wenn wir im winterlichen Europa wären! Doch es ist am bessern, die Energie ist wieder zurück. Wir nehmen uns jeden Tag die Zeit um mit den Kindern zu lernen. Heute hatte Neele Schreibübungen gemacht! Es funktioniert, trotzt Schiffsbewegung! Seit Lenja ab und zu etwas gegen Seekrankheit nimmt, kann auch sie während des Segelns lernen, und das ist gut! Die Tage vergehen schnell ohne Langeweile. Neele entwickelte vorgestern eine veröffentlichkeitswürdige Bastelidee mit einer leeren Petflasche. Sie bastelte einen Vogel daraus! Unterdessen sind es fünf Vögel geworden und die Petflaschen sind recykliert!
Ich selber hab mir wieder eine Kette gestrickt und ich werde immer besser im Ukulele spielen 🙂 Unterdessen hab ich auch den Mundharmonika-Lehrgang hervorgenommen. Mundharmonika spielen lernen hilft auch gut gegen die Müdigkeit während der Nachtwache! Kim bringt immer schöne, lustvolle Ideen in den Tag, kleine Highlights wie zum Beispiel eine Kuchen backen oder heute die Popcorn und der Film. Ein Highlight in den ersten Tagen war übrigens auch den Riesenfisch, den wir gefangen haben! Eine Goldmakrele, Dorade oder auch Maymay. Der war ca. 5kg schwer und 70cm lang, ein Prachtsstück! Das war eine Aufregung, bis wir den Fisch an Bord hatten, immer Angst ihn wieder zu verlieren! Und dann so ein Riesending zu töten ist auch nicht ohne! Wir bekamen von andern Seglern den Tip mit hochprozentigem Alkohol, dieses in die Kiemen giessen und damit ist er in Sekunden tot. Dann nimmt ihn Kim auf dem Deck aus, spült ihn mit Meerwasser und am Abend essen wir die feinen Fischsteack im Ofen gebacken, im Tomaten-Oliven Jus! Es ist grossartig, so Fisch zu essen!
Wir rechnen nun nochmals mit ca. sechs weitern Segeltagen bis wir dann in Saint Lucia ankommen. Dann haben wir einen ersten, grossen Meilenstein geschafft, wo wir darauf Stolz sein können! Wir sind richtige Segler geworden! Die ARC wird dann dort beendet und all die Menschen die wir dadurch kennengelernt haben, werden wieder eigene Wege gehen. Vorsichtig sind auch wir am überlegen und uns vorzustellen, wie unsere Reise weitergehen könnte…doch vorerst ist einmal weiterreisen und ankommen das Ziel.
Tag 12 auf See, Atlantik, 30. November 2015
ca. 15 sm bis Saint Lucia
Nun sind wir auf der Zielgerade zur Insel Saint Lucia. Rund 2100sm liegen hinter uns! Wir sind genau vier Stunden auf der Zeitlinie vorgerückt. Es ist hier ca. 16 Uhr. Wir können nun sagen, dass wir perfekte Verhältnisse angetroffen haben, auf unserer Überfahrt. Keine Flauten, der Wind wehte regelmässisig und wir kamen jeden Tag super gut voran. Unser bestes Tagesetmal war 193 sm mit immer über 8kn Fahrt – super!
Doch sind wir nun natürlich glücklich, bald wieder an Land zu sein. Die extremen schlingernden Schiffsbewegungen beim «Vor dem Wind»Kurs machten uns am meisten das Leben schwer! Das am Morgen alle vier ein Kaffee oder eine heisse Milch bekamen, war eine strategische Kunst: Bereits beim ersten Löffel Kaffeepulver ist normalerweise der eine Becher umgefallen und der zweite 30cm nach hinten gerutscht! Die Schwierigkeit kommt dann erst noch beim Einfüllen der heissen Flüssigkeiten! Wir mussten einige Tricks herausfinden, um diese normalste Tätigkeit ohne Desaster zu bewältigen! In den Schränken polterten die Pfannen und die Konservendosen dauernd gegen die Schranktüren – ein Heidenlärm – aber schlussendlich einfach Gewöhnungssache! An die nächtlichen Nachtwachen hab ich mich nie ganz daran gewöhnt. Jedesmal war es hart, aus dem gemütlichen, warmen Bettchen aufzustehen! Doch natürlich gab es auch da schöne, besondere Momente der Stille oder Momente der Befriedigung, wenn ich alleine die Segel trimmte vor einem Squall (Wolkenbruch mit viel Wind und Regen) oder auch einfach die Verantwortung für das Schiff und die darauf schlafenden Bewohner zu tragen.
Wir haben in dieser Zeit auch unser Schiff sehr gut kennengelernt. Haben weitere Erfahrungen gemacht beim Segeln, wieviel Segelfläche es leiden mag und wie das Schiff in den Wellen reagiert. Stromversorgung über so lange Zeit, war auch ein Thema. Unser Autopilot läuft ja 24h und braucht den grössten Teil Energie. Wenn die Sonne schien blieben unsere Batterien voll aber sobald ein bewölkter Tag war, hatten wir zuwenig Energie für den Autopiloten. Normalerweise lässt man in dem Fall den Motor laufen, was immer ein bisschen widersinnig ist bei genügend Wind. Kim konnte auf diesem Trip zum ersten Mal ausprobieren, die Batterien mit dem Generator den wir gekauft haben, aufzuladen. Das hat, nach anfänglichen Schwierigkeiten; er stellte bei jeder grossen Welle ab, nun doch wunderbar funktioniert und gibt uns wieder eine technische Unabhängigkeit.
Nun freuen wir uns auf die Karibische Insel die im Abendlicht vor unserem Bug liegt!